Ein paar kurze Worte...
...über die Welt und auch ein bisschen über mich
Freitag, 28. Mai 2010
Der alltägliche Horror
geschrieben am 22.01.2010; 01:28 Uhr
Das lange Telefonat mit ihrer besten Freundin Lara hat gut getan. Jetzt fühlt sie sich deutlich besser. Mit Lara kann sie einfach über alles reden, über ihre Gefühle, über das, was wichtig ist, und über das, was nicht so wichtig ist. Mit Lara zu telefonieren ist immer wie ein reinigender Regen, der all den Staub aus der warmen Sommerluft wäscht. Danach kann man wieder frei atmen.
Jetzt hat sie wieder ein gutes Gefühl im Bauch und ihre Gedanken sind positiv. Lara ist echt ein Schatz!
Sie schaut auf die rosa Uhr über ihrer Zimmertür. Wow! Dreieinhalb Stunden. Selbstverständlich ist das kein Rekord, aber immerhin mehr als üblich. Jetzt ist es schon spät, gleich halb 3. Vor dem Familienessen heute Abend muss sie dringend noch ein paar Dinge erledigen, zur Post, einen Brief einwerfen, für ihre Mutter etwas aus der Drogerie besorgen und vielleicht schafft sie es dann noch, nach einem neuen Schal und anderen Sachen zu schauen.
Sie geht ins Bad und betrachtet sich im Spiegel. Ohje, die Augenringe zeugen von einer langen Nacht. Bilder und Eindrücke des Mädelsabends gestern Abend fliegen vor ihren Augen vorbei und sie muss wieder anfangen zu kichern. Glucksend steht sie vorm Waschbecken und fängt an, ihr Gesicht zu pudern.
Einige Zeit später läuft sie hübsch zurechtgemacht und wieder zum Anbeißen aussehend zum Bus. Sie hat Glück, er kommt sofort. Ohne groß auf die anderen wenigen Fahrgäste zu achten setzt sie sich auf einen der ersten Sitze und hört das neue Lied von Silbermond. "Und wenn Dein Wille schläft, dann weck ihn wieder. Denn in jedem von uns steckt dieser Krieger." Sie holt ihr Handy heraus und beginnt, alte SMS durchzulesen. "Dessen Mut ist wie ein Schwert. Doch die größte Waffe ist sein Herz." Bei einigen der SMS muss sie spontan lächeln, andere erinnern sie an weniger schöne Dinge und sie löscht sie schnell. Ihr Speicher ist immer so schnell voll... "Lasst uns aufstehn. Macht Euch auf den Weg. An alle Krieger des Lichts." Erst als sie aussteigen muss, blickt sie wieder auf. Der Bus ist inzwischen ziemlich voll.
Die Ladenpassage ist lang, die Post liegt ganz am anderen Ende. Viele Menschen sind eilig unterwegs, um die letzten Wochenendeinkäufe zu tätigen, andere bummeln nur aus Langeweile herum. Sie hat noch etwas Zeit, das ist gut, sie mag keine Hektik. Dennoch geht sie zielstrebig durch die Passage und durchaus registriert sie, dass sie wie gewöhnlich von allen Seiten angesehen wird. Die drei Macho-Kerle, die am Eingang herumhängen, rufen ihr irgendeinen Anmachspruch hinterher, der widerliche Opa mit Gehstock sabbert bei ihrem Anblick wahrscheinlich noch bis übermorgen, der eine von zwei in ein Gespräch vertieften Typen mit Rasta-Locken sieht ihr außergewöhnlich lange nach, nicht mal der schüchterne Junge kann sich zusammenreißen und blickt sie im Vorbeigehen klar aus den Augenwinkeln an, ein gut aussehender Mann begutachtet sie ebenfalls von oben bis unten, während er sich lebhaft über sein Handy mit jemandem unterhält und eine kleine Gruppe eigentlich harmlos wirkender Schüler um die 18 kommt ihr lachend entgegen, wobei mindestens drei den Kopf zu ihr wenden. "Lass Dich nicht täuschen, auch wenn's aus Gold ist. Lass Dich nicht blenden, erst recht von falschem Stolz nicht." All diese Blicke registriert sie. Doch kein einziger wird von ihr erwidert.
Gleich hat sie die Postfiliale erreicht, während ihr erneut ein an einem Geländer lehnender Kerl entgegen sieht. Stur blickt sie geradeaus und ekelt sich daran, wie all die widerlichen Typen sie gerade gedanklich durchficken. Gibt es denn keine normalen Menschen auf dieser Welt?

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