Ein paar kurze Worte...
...über die Welt und auch ein bisschen über mich
Freitag, 4. April 2008
Im Irak - Pt. 7
7/7
Ein Knallen ließ ihn hochschrecken. Wo war er? Im Licht einer Taschenlampe sah er einen Stromkasten. Die Realität wurde ihm wieder bewusst, die Fiktion aus den verworrenen Traumszenen verschwand. Wieder ein leiser Knall. Er hallte in den Gängen und P.'s Kopf nach. Und wieder einer. Hinter ihm wurden die Irakis unruhig. Sie hatten aufgehört zu reden und lauschten angespannt, die Köpfe zur Tür gedreht, genau wie P. selbst.
Aus dem dumpfen Knallen wurden laute Schüsse, ein eindringliches Knattern, dazu drangen Rufe und einzelne gellende Schreie immer lauter durch die Gänge in den kleinen Raum. Die drei Männer sprangen auf und luden hektisch ihre Waffen nach. Mit einem Male begann P.'s Herz zu rasen, sein Atem ging schnell und flach. Eine Gänsehaut begann ihm über den kompletten Rücken zu kriechen. Mit weit geöffneten Augen starrte er in entsetzter Erwartung zur ihm gegenüber liegenden Tür. Unwillkürlich klammerte er sich mit den Händen an der Lehne des Stuhls fest. Die Schüsse kamen immer näher, die Stimmen wurden lauter.
Dann ging alles unheimlich schnell. Die Tür wurde aufgerissen und herein stürmten drei, vier, sechs Irakis. Sie hatten ebenfalls ein paar Taschenlampen dabei und ihre Maschinengewehre im Anschlag und keuchten den drei in Abwehrstellung stehenden Männern einige Worte zu. Sie hatten keine Zeit, um ausführlichere Auskunft zu geben, denn schon nach wenigen Sekunden peitschten wieder Schüsse durchs Dunkel. Zwei weitere Irakis stürmten Hals über Kopf in den Raum. Einer von ihnen blutete am Arm, der andere brüllte etwas.
P. saß wie traumatisiert auf seinem Stuhl und folgte wie paralysiert dem Geschehen. Auf einmal war das vorher so leere und kalte Zimmer gefüllt mit panischen Männern und die hitzige Luft erbebte durch die Gewehrschüsse. Sein Kopf schien platzen zu wollen.
Die Araber riefen sich Anweisungen zu und verteilten sich im Raum, die Waffen weiter im Anschlag, auf die offene Tür zum Gang draußen gerichtet. Plötzlich packte einer von ihnen P.'s Stuhl und zerrte ihn mitsamt ihm selbst in die hinterste Ecke, wo er sich hinter ihn stellte. P. fühlte etwas Eiskaltes an seiner Schläfe und erstarrte.
Wieder laute Rufe. Wieder Schüsse. Ein weiterer Iraki hechtete aus dem dunklen Gang ins Zimmer hinein und suchte sogleich Deckung. Ohne Erfolg. Er schien der letzte gewesen zu sein. Einen kurzen Moment lang war es still. Eine Stille voller unerträglicher Anspannung. Zwölf Iraki standen bereit, um die Angreifer, wer auch immer sie sein mochten, mit einem Kugelhagel zu begrüßen und zu durchsieben. Es war plötzlich so still, dass P. sie atmen hören konnte.
Aus dem Dunkel wurde etwas gerufen.
Die Iraki rührten sich nicht. Keine Antwort.
Wieder wurde gerufen. Keine Reaktion. Wieder ein Moment der Stille.
Plötzlich hörte man das Geräusch eines kleinen rollenden Gegenstandes. Er rollte in den Raum. Sofort schreckten die Iraki zurück. P.'s Augen weiteten sich. Er schob sich so weit es irgendwie ging in die Lehne seines Stuhls hinein. Die Mündung der Pistole drückte fester gegen seinen Kopf. Der kleine Gegenstand auf dem Boden vor der Tür gab einen leisen Klicklaut von sich und auf einmal hüllte er sich in dichten Rauch. Der Qualm stieg schnell nach oben, verbreitete sich rasch. Keine zehn Sekunden dauerte es und die Tür verschwand im sich ausbreitenden Nebel. Die Irakis rührten sich, sie blickten sich mit geweiteten Augen an.
Schritte waren zu hören und keinen Lidschlag später verloren die Araber die Nerven, eröffneten blind das Feuer. Die Kugeln schossen unkontrolliert aus zwölf automatischen Waffen und droschen gegen die Betonwände, prallten mit irrwitziger Geschwindigkeit ab und verwandelten den kleinen Raum in ein ohrenbetäubendes, blitzendes Inferno. Schreie.
P. zuckte zusammen, nahm einen stechenden Schmerz im Unterleib wahr. Mit überraschtem Gesichtsausdruck krümmte er sich, doch er war festgebunden. Dann raste eine Metallkugel durch sein Gehirn. Sie löschte alle Bilder, alle Erinnerungen, alle Ängste. Sein Leben.

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Konsequentes Ende. Gefällt mir.

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Danke.

An die anderen:
Die Story haut euch offensichtlich nicht so ganz vom Hocker. Naja. Was solls. Mich auch nicht so wirklich. Doch auch wenn ich sie nicht so in Worte fassen konnte, wie ich es gerne getan hätte, so bleiben die Bilder des Geschehens in meinem Kopf und ich will sie dort nicht missen, denn sie zeigen mir viel mehr als Sonne, Sand und Maschinengewehre.

Allen, denen es mehr Überwindung kostet, kurze Texte zu lesen als ganz kurze, sei gesagt, dass sie sich freuen können, denn die folgenden werden eher ganz kurz sein. Und wieder ganz anders als das staubige Nahostgeschreibsel.

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So, jetzt hab ich auch endlich den letzten Teil gelesen.

Eine tolle Geschichte gerade deshalb weil es kein Happy End gibt. Danke sehr...

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