Ein paar kurze Worte...
...über die Welt und auch ein bisschen über mich
Dienstag, 7. August 2007
Bergankunft
Die Beine schmerzten, waren fast taub. Wie in Trance traten sie im Rhythmus immer weiter. Bloß nicht aufhören! Es war nicht mehr weit. Ein paar hundert Meter nur noch. Welch Klacks gegnüber den hundert Kilometern, die er schon hinter sich gebracht hatte, er und all die anderen. Doch sie erschienen ihm wie eine Ewigkeit. Die Straße vor ihm kroch immer langeamer unter ihm hinweg und seine Schenkel brachten kaum noch Kraft auf, um den steilen Anstieg zu bewältigen.
"Los komm, Benno! Gib noch mal alles, dann hast du's geschafft! Komm schon!", hörte er hinter sich den Teamleiter rufen, der ihm im Mannschaftswagen in einigen Metern Abstand folgte. Über Funk wurden ihm danach noch einmal die aktuellen Zeiten durchgegeben, der Abstand zur Spitze und der Rückstand seiner ersten Verfolger. Er war denkbar knapp... Der Etappensieg war eh dahin, den würden die drei Spitzenreiter unter sich ausmachen. Ihm ging es darum, nicht allzu weit zurückzufallen und, wenn möglich, Vierter zu werden.
Seinen Antritt an diesem letzten Anstieg hatten seine fünf ehemaligen Begleiter aus anderen Teams nicht mehr mithalten können, doch jetzt merkte er, wie sehr er selbst dabei Kraft gelassen hatte. Er war sich nicht sicher, ob er es schaffen würde.
Es war nicht mehr weit. Die Zuschauer hinter der Absperrung kreischten und jubelten ihm zu. Die Straße wand sich Biegung um Biegung hinauf auf den Pass, alles war bunt, alles schrie und klatschte, die Begeisterung war riesig. Doch er konnte sich nicht daran freuen. Er quälte sich Tritt um Tritt die Schlangenlinien hinauf, ging aus dem Sattel und schaltete die Gänge hin und her. Keine Position schien mehr Geschwindigkeit herauszuholen, doch er musste weiter.
"Fünfunddreißig Sekunden, Benno! Kämpf weiter!", rief sein Teamchef. Das war gar nicht gut. Vorhin waren es fast fünfzig gewesen. Er kämpfte eh schon am Limit. schon seit Stunden. Es war eine Tortur. In solchen Momenten wünschte er sich manchmal, nie Radprofi geworden zu sein. Aber sich zu quälen gehörte nunmal mit dazu.
Die beiden Motorräder vor ihm fuhren fast schon im Schritttempo. Oh, nein, er war schon wieder langsamer geworden! Er suchte verzweifelt letzte Kraftreserven, sein ganzer Körper wuchtete sich in die Pedale.
Verdammter Anstieg! Wieso konnte es hier nicht einfach bergab gehen?
"Dreißig Sekunden", sagte es im Ohrstöpsel.
Es war nicht mehr weit. Kämpfen! Ein paar hundert Meter noch. Kämpfen!!
Die ersten drei Fahrer waren jetzt bereits im Ziel. Er wollte der nächste sein. Doch er konnte nicht mehr, war kaputt. Seine Beine taten nicht nur weh, sie schienen jeden Augenblick abzufallen.
Er sah den Berg hinauf, über die Köpfe der vielen Zuschauer hinweg, sah die Straße noch ein paar Schlangenlinien machen und dort oben, dort war das Ziel! Er konnte das große Banner erkennen.
Da war die nötige Kraftreserve! Er konnte es schaffen, das wusste er jetzt! Und er kämpfte.

Während der Sieger bereits die ersten Interviews zu Ende geführt hatte, kroch Benno erschöpft und ausgepowert über die Ziellinie. Als Vierter. Kurz nach ihm trafen die nächsten Fahrer ein und nach und nach alle weiteren etwa einhundertzwanzig.
Er hatte nicht mithalten können mit den Besten, doch er war mit seiner Platzierung und seiner Leistung sehr zufrieden. Und er war stolz auf sich. Denn ER hatte nicht gedopt!

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