Ein paar kurze Worte... |
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Dienstag, 10. Oktober 2006
Kontraste
Autor: der_eumel, online seit 21:58 Uhr, Kategorie: Ein paar kurze Worte
Heute in der S-Bahn durfte ich einmal mehr wieder Zeuge eines sehr interessanten Schauspiels werden. Die Kontraste hätten nicht stärker sein können.
Ich fuhr von der Uni nach Hause und auf dem Bahnhof Bornholmer Straße stieg eine relativ junge Mutter mit ihrer etwa zehnjährigen Tochter ein. Die Mutter war attraktiv und gut gekleidet, modern und auf einem Ohr hörte sie Musik. Vom Typ her kann man sie einigermaßen gut mit der Hauptdarstellerin aus "Dirty Dancing" vergleichen: selbe Statur, ähnliche Gesichtszüge und in etwa die gleiche Frisur. Ihre Tochter war zierlich, hatte lange blonde Haare und ehrliche, aufgeweckte braune Augen, die ihre Umgebung interessiert beobachteten. Sie war ruhig und zurückhaltend, sagte nicht viel, doch man merkte deutlich, dass sich Mutter und Tochter gern hatten. In der Bahn lächelte das Mädchen ihre Mutter glücklich an, wenn diese ihr zart durchs Haar strich. Eine Station weiter stiegen zwei Frauen und ein ca. achtjähriges Mädchen ein und setzten sich direkt neben die beiden. Wie im Laufe der Fahrt deutlich wurde, war wohl die ältere der beiden Frauen die Mutter des Kindes, doch in keinster Weise vergleichbar mit ersterer. Diese Frau war klein und etwas breiter, auch war sie bereits älter. Vielleicht vierzig. Ihre Haare waren verwuschelt und tiefe dunkle Augenringe verunstalteten ihr rundliches Gesicht. Im Großen und Ganzen war sie jedoch gegenüber der zweiten Frau eher unauffällig. Jene zweite Frau war eigentlich fast noch ein Teenager. Ihr Alter konnte ich nicht gut einschätzen, doch ich tippte so auf zwischen 20 und 25 Jahre. Möglicherweise war sie eine große Schwester des zweiten Mädchens oder sonstwie verwandt, denn auch sie war wie die Mutter nicht sonderlich schlank. Ihr Aussehen ließ sich eindeutig beschreiben: tussig. Es fing bei glitzernden Jeans an, ging über einen freien Bauchnabel, ihre rosa angehauchte Jacke zu ihren schwarz gefärbten schulterlangen Haaren, Pearcings in Ohr und Nase bis hin zu zentimeterdicker Schmink-Schicht. Mittelpunkt dieser nunmehr gewachsenen Gesellschaft war jedoch das Mädchen. Sie hatte fettiges, unordentliches Haar, das ihr nicht einmal bis zur Schulter ging, ihr Gesicht verriet wenig Erholsamkeit, denn auch sie hatte dicke Augenringe. Kurz gesagt, ihr Erscheinungsbild war ein ziemlich heruntergekommenes. Dagegen wirkte das erste Mädchen wie eine Prinzessin. Müde jedoch schien jenes Mädchen nicht zu sein. Oder zu müde. Jedenfalls war sie extrem aufgedreht und konnte nie still sitzen. Mal lief sie im Wagon herum, turnte an den Stangen herum, dann setzte sie sich wieder auf den Schoß ihrer "Schwester" oder stand einfach da. Dabei war sie ununterbrochen am Reden und Kichern. Ihre etwa gleichaltrige Beobachterin dagegen saß ruhig und still daneben und sah sich das Theater an. Weshalb sich jenes Kind so aufgedreht, hektisch und hibbelig verhielt, war nicht schwierig herauszufinden: Man brauchte sich nur ein paar Minuten lang die Familie dazu ansehen. Die Beine der "Schwester" blieben keine Sekunde lang ruhig, ohne Unterbrechung hüpften sie auf und ab, vermutlich weil sie seit einer Minute keine Kippe mehr geraucht hatte. Wenn das Kind mal etwas zu nahe kam und einfach nur Aufmerksamkeit haben wollte, schnauzten sie beide es in einem Ton an, der viele der Fahrgäste aufschauen ließ. Dem Kind schien dieser Tonfall nichts auszumachen, es kicherte und redete weiter mit ihnen, obwohl die beiden Frauen nur mit einem Ohr hinhörten. Allein schon, dass es dem Mädchen nichts ausmachte, sollte bedenklich sein. Als die Kleine mal wieder auf dem Schoß der "Schwester" saß und irgendeinen Mist vor sich hin plapperte, gab ihr diese einen Stoß auf den Hinterkopf. Nicht schlimm. Doch macht man soetwas mit einem Kind? Selbst wenn es nicht ernst gemeint war, sondern als Neckerei gedacht, denn das war es wohl, kann dies keine Art sein, mit einem Kind zu kommunizieren. Mir schien da der Verdachte sehr nahe, dass diese beiden Frauen schlichtweg nicht in der Lage waren, ein Kind vernünftig zu erziehen. Vernünftig, mit Vernunft. Sie tranken Cola und das Mädchen riss ihnen die Flasche vor lauter hektisch und gedankenlos beinahe aus den Händen. Daraufhin tat die "Schwester" so, als ob sie ihr den Inhalt der Flasche über den Kopf gießen wolle. Fast wäre es passiert, hätte die Bahn ein wenig mehr gewackelt. Ich weiß nur, was ich gesehen habe, kann nicht beurteilen, wie es zu Hause bei dieser Familie zugeht und wie der Vater so drauf ist. Doch ich weiß, dass mir das Mädchen leid tat, denn sie ist ein klarer Fall von Nachlässigkeit in der Erziehung, möglicherweise eine Verschwendung von Talenten. Ich denke, es ist nicht zu abwegig zu vermuten, dass dieses Kind bei einer solchen Umgebung z.B. nie ein Musikinstrument spielen wird. Nahe liegt es auch, vorhersagen zu treffen, dass dieses Mädchen vielleicht nie Abitur machen wird. Vielleicht wird sie auch arbeitslos werden ihr Leben lang. Leider fällt der Apfel nie weit vom Stamm. Da brauchte ich mir nur das erst Mädchen ansehen. Sie hatte ihren Sitznachbarinnen zugesehen und zugehört und es war ihren Blicken anzusehen, dass solch ein Verhalten mitzubekommen für sie etwas ganz Neues war. Und es war erschreckend für sie. Zum Glück konnte sie sich auf die andere Seite drehen und sich an ihre Mutter lehnen. Warum ich das alles erzähle? Weil ich es ebenso erschreckend fand wie das blonde Mädchen. ... kommentieren |
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