Ein paar kurze Worte...
...über die Welt und auch ein bisschen über mich
Donnerstag, 13. März 2008
Im Irak - Pt. 3
3/7
Nach einiger Zeit stand er auf und machte ein paar Schritte durch den Raum. Das kleine Loch oben an der Wand ließ zwar das Licht herein, doch war es viel zu klein, um dort hindurchzukriechen. Er versuchte, draußen etwas zu erkennen, erblickte jedoch nur den blauen Himmel, der noch immer völlig wolkenlos war.
Die Tür war hölzern und massiv und mit mehreren Quer- und Längsbalken verstärkt. Dahinter hörte er die Stimmen der Männer. Auch wenn das Gebäude nur noch aus den einzelnen Steinen zu bestehen schien, war es unmöglich, hier herauszukommen. Der Türrahmen war fest zubetoniert und absolut robust. Nicht, dass er wirklich vorhatte, zu flüchten. So verrückt war er nicht. Er wusste nicht einmal, wo er sich befand. Möglicherweise waren sie mitten in der Wüste, auf jeden Fall hatte er keinen Schimmer, wo er hin sollte, wenn er fliehen hätte können. Aber er musste immerhin seine Möglichkeiten erforschen, die er noch hatte.
Dann bemerkte er, dass die Tür einen recht großen, länglichen Schlitz in der Mitte besaß, ähnlich dem einer Briefkastenöffnung, allerdings ohne Deckel. Er ging in die Knie und sah hindurch. Hinter der Tür lag ein recht großer Raum, an dessen Wände nicht die einzelnen Steine hervorragten, sondern sogar eine alte Tapete zu sehen war. An einem Tisch in der hinteren Ecke saßen vier Männer, zwei von ihnen eingehüllt in Gewänder. Einen Turban hatte keiner von ihnen umgebunden, doch trugen sie einen Vollbart wie die Männer in der Stadt. Überraschenderweise schienen die beiden anderen Männer keine Einheimischen zu sein. Sie sahen südländisch aus, doch sie waren eindeutig keine Araber. Im Gegensatz zu den Irakis unterhielten sie sich angeregt und heiter und kauten dabei auf kleinen dunklen Scheiben herum. Sie sprachen oder vielmehr lallten nicht Arabisch, doch verstehen konnte P. sie dennoch nicht.
Er ließ den Blick weiter durch den Raum schweifen. An der Wand neben dem Tisch lehnten einige Waffen, weitere Gewehre konnte er in einem offenen alten Schrank gegenüber der Eingangstür erkennen. Noch nie zuvor hatte er überhaupt real ein Maschinengewehr gesehen und nun hatten sie gleich ein ganzes Dutzend davon auf ihn gerichtet gehabt. Es war alles so schnell gegangen. Wie in einem Traum sah P. die Bilder von vor wenigen Stunden noch einmal vor sich aufblitzen.
In einer Ecke konnte er mehrere Holzkisten aufeinander gestapelt erkennen und an der Wand lag ein grüner Rucksack. Mehr war in dem Zimmer nicht zu sehen. P. beobachtete die Männer eine Weile und kam zu dem Schluss, dass die beiden Südländer aus Spanien stammen mussten. Zumindest glaubte er einige spanische Worte herauszuhören.
Es war ein merkwürdiges Szenario. Vor allem schien sich niemand der vier Männer um ihn hier in seiner Kammer zu interessieren. Die Spanier wurden zunehmend ausgelassener und schienen unter starkem Drogeneinfluss zu stehen, während die Irakis stumm dabenen saßen und sie kaum beachteten. P. nahm an, dass sie die Gesellschaft der beiden nicht sehr erfreute, auch wenn sie sich das nicht anmerken ließen und sie, so gut es bei deren lautstarkem Theater ging, ignorierten.
Plötzlich stand einer der Spanier umständlich auf und wankte gebückt in die Ecke. Er stand definitiv unter Drogen. Vielleicht hatten sie gekokst. Alkohol war es nicht, denn P. konnte keine Flaschen im Raum finden. Mit einem lauten Würgelaut erbrach der Mann seinen Mageninhalt über die Holzkisten. Sofort reagierten die Irakis, sprangen auf und zerrten den ihn mit einem genervten Gesichtsausdruck hinter ihren Bärten aus der Ecke. Der Spanier setzte sich nur widerstrebend wieder an den Tisch, wo er nun, den Kopf auf den Armen, zusammensackte. Der andere begann laut zu lachen, nahm eine weitere der kleinen Scheiben und begann, auf ihr herumzubeißen. Die Distanz war zu groß, um Genaueres erkennen zu können, doch ahnte P., dass die beiden Spanier wohl gerade dem Meskalingenuss frönten. Vielleicht waren sie auch Mexikaner, da kam das Zeug meistens her.
Geschichten von exotischen Rauschmitteln hatte P. oft genug gehört. Sein Freund, der Pharmazeut, kannte sich da aus und hatte eine Menge erzählt. Vollkommen zusammenhangslos erschien P. jedoch die Anwesenheit von Mexikanern im Irak. Aber was wunderte er sich überhaupt noch?
Er wandte sich wieder von der Tür ab. Wozu sollte er dieses Szenario überhaupt verstehen? Es war ohnehin alles komplett verrückt. Wenn er doch nur wüsste, was auf ihn wartete. Wollten sie ihn töten? Was war mit seiner Frau und seiner Tochter geschehen? Wie lange würde er hier in der Kammer verweilen müssen?
Er setzte sich wieder auf das bettähnliche Gestell, welches das einzige Möbelstück im Raum darstellte, wenn man es überhaupt als ein solches bezeichnen konnte. Keine Matratze, keine Decke, einfach nur Holz. Seufzend legte er sich auf den Rücken und streckte sich aus. An Schlafen war nicht zu denken, doch es tat gut, seine Glieder etwas zu strecken.
"Verrückt!", dachte er kopfschüttelnd, "Einfach nur verrückt!".

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