Ein paar kurze Worte...
...über die Welt und auch ein bisschen über mich
Sonntag, 17. Februar 2008
Am See
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Geschrieben am Sonntag, 17. Februar 2008
Dick eingemummt in Winterjacke, Schal und warmen Stiefeln stapfte ein Mädchen im Abendlicht hinunter zum See. Im tiefen Schnee sank sie bei jedem Schritt ein und hinterließ eine einsame Fußspur auf dem frisch zugeschneiten Weg zwischen den kahlen Bäumen. Sie hatte es nicht eilig, doch ihr Ziel war klar. Sie wollte weg von den Leuten, allein sein. Sie wollte dorthin, wo sie ihn im Sommer so oft gesehen hatte, wo er sie angelächelt hatte. Dort, auf der Bank am Seeufer, wollte sie heute Abend bleiben und an ihn denken. Es war kalt, doch das war nicht von Bedeutung.
Die Menschen oben im Dorf waren vermutlich wieder auf dem Heimweg. Es hatte nicht lange gedauert. Viele waren gekommen und alle waren sie bestürzt. Niemand von ihnen hatte damit gerechnet, dass er so früh von ihnen gehen würde.
Das Mädchen wusste, weshalb: Sie hatten ihm nie zugehört.
Wenn man die Leute fragte, wie er denn gewesen sei, so antworteten sie nicht sofort. Sie überlegten kurz, bevor sie Worte wie "ruhig" oder "nett" sagten. "Freundlich". "Zurückhaltend"... Wer dann in ihre Augen sah, bemerkte die Verwunderung darin. Die Verwunderung darüber, dass es so schwer war, zu beschreiben, wie er gewesen ist. Es erschreckte sie selbst, dass sie so wenig über ihn sagen konnten. Dabei war er doch so oft in ihrer Nähe gewesen. Und doch konnten sie kaum mit Worten festhalten, was ihn eigentlich ausgemacht hat. Hatten sie ihn überhaupt jemals wirklich wahrgenommen? War er nicht immer im Schatten gewesen? Hatte ihn überhaupt jemals einer von ihnen länger als einen Lidschlag lang angesehen? Wer in ihre Augen sah, wusste, dass sie es alle nie getan hatten. Dass es Menschen gibt, die sich erst bemerkbar machen, wenn sie für immer gehen, wurde den meisten von ihnen erst jetzt schlagartig bewusst. Auf einmal wurde über jemanden geredet, der sein Leben lang nie wirklich ein Gesprächsthema gewesen war.
Doch die ersten begannen bereits, ihn zu vergessen. Es gab nicht viel, an das man sich erinnern konnte. Niemand von ihnen hatte sich je für ihn interessiert und wenn man sie nach ihm fragte, bekam man immer die gleichen aussagelosen Antworten. An diesem Tag wurden sie erstmals überhaupt nach ihm gefragt. Eine gute Antwort bekam keiner.
Denn niemand fragte das Mädchen, das mit feuchten Augen einsam unten am See saß und eine Rose in den glitzernden Schnee legte. Dort, wo er ihr so viel erzählt hatte. Dort, wo sie ihn das letzte Mal angesehen hatte. Dort, wo er ihr lebewohl gesagt hatte.
Ihr wären tausende Worte eingefallen.

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