Ein paar kurze Worte...
...über die Welt und auch ein bisschen über mich
Freitag, 19. Januar 2007
Royal Flush
Schlagartig fing K.'s Herz an laut hörbar zu pochen. Bum. Bum. Bum. All seine Sinne waren angespannt, das Adrenalin stieg ihm in den Kopf. Seine Gedanken waren wirr und er war nicht mehr Herr seiner selbst. Seine ganze Konzentration musste er dafür aufbringen, sich nichts anmerken zu lassen. Er hoffte, dass es nicht auffallen würde.
Eigentlich hatte er gar nichts. Bislang. Doch es konnte etwas werden.
Er versuchte still zu stehen, aber sein ganzer Körper schien unkontrollierbar hin und her zu schwanken. Lag das am langen Sitzen zuvor oder an dem leichten Schwindel, der ihn befiel? Wenn das mal nur gut ging...
Er fing an zu schwitzen. Ihm gegenüber saß der feine Herr mit dem französischen Namen und dem gekünstelten Lächeln, zu seiner Linken ein unscheinbarer jüngerer Mann, dessen Emotionen genauso unauffällig waren wie seine Erscheinung. Am ehesten einschätzen konnte er seinen rechten Tischnachbarn. Er war ein Südländer, um die 50 und offensichtlich ein schlechter Verlierer. Nahezu jedes Mal wenn er verlor, wurde er rot vor Wut und fluchte leise auf einer ungewohnt klingenden Sprache in seinen grauen Bart.
All diese Beobachtungen jedoch waren wie ausgeblendet. K. versuchte, klar zu denken, versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
Der Südländer regte sich. Langsam bewegten sich seine Finger zu den Chips.
Call.
K.'s Atem wurde anstrengender. Der unscheinbare Junge hatte gleich gefoldet, der Franzose jedoch hatte soeben um weitere Fünftausend erhöht. Er konnte es sich leisten. Es tat beinahe weh und eine gewisse Wut keimte im Bauch auf, wenn K. zu ihm rüber sah und dessen Gewinn betrachtete.
Er hatte nichts mehr zu tun. Er konnte nur noch hoffen. Hoffen auf den River. Die Chancen auf die eine Karte waren gering, das wusste er. Doch er musste es riskieren, denn lange hätte er nicht mehr durchgehalten.
Er schloss für einen kurzen Moment die Augen und stellte sie sich vor, die Karte. Wie sie aufgedeckt würde.
Es war seine letzte Chance. Alles oder nichts.
Und es war möglich. Es war möglich, dass es das Spiel seines Lebens werden würde. Er war sofort nach dem Flop All-In gegangen. Der Franzose und der Südländer hatten sich weiter hochgetrieben, auch nach der vierten Karte, Herz-Vier. Die hatte K. wenig genützt. Nein, sie hatte ihm wirklich kein bisschen genützt.
Nun lag eine solch hohe Summe im Pot, dass ihm schon beim Gedanken an die Zahl ein Schauer über den Rücken fuhr. Gleich würde er wissen, wem diese für ihn ungeheure Summe gehören würden.
As 10 suited. Herz. Klar, dass er es tun musste, nachdem der Bube und der König neben der Karo-4 im Flop lagen. Wenn SIE doch nur noch käme...!
Kommt sie nicht, dann war es das. Nicht nur heute Abend. Eine Welt würde zusammenstürzen. Vollends zusammenstürzen, denn es war nur ein hauchdünner Faden, an dem sie noch gehalten wurde.
Der Croupier blickte ein letztes Mal in die Runde. Seine Hand legte die Bum Card zur Seite und griff die nächste. Wie in Zeitlupe schob er den River neben den Turn.
Er war im Begriff die Karte umzudrehen, da fiel K. jemand aus dem Augenwinkel auf. Als er genau hinsah, konnte er sie deutlich erkennen:
Es war seine Herzdame. Und sie lächelte ihn an.

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