Ein paar kurze Worte...
...über die Welt und auch ein bisschen über mich
Freitag, 20. Oktober 2006
Verantwortung
Wieder einmal fahre ich in der S-Bahn. Ich bin müde und würde mich gerne setzen um ein wenig zu dösen. Doch die meisten Plätze sind besetzt und ich muss mein Rad festhalten, damit es nicht umfällt.
Ich sehe mir die Menschen an. Jeder schläft noch halb, einige lesen Zeitung oder ein Buch, ein Herr mit Anzug tippt etwas in seinen Laptop ein, doch die meisten stieren einfach vor sich hin. Die Bahn ist laut, doch trotzdem irgendwie ruhig. Niemand sagt etwas. Jemand telefoniert mit seinem Handy, doch sonst spricht keiner. Jeder im Zug ist in seinen eigenen Gedanken versunken. Es ist wie ein grauer, stummer Schleier.
Auf einmal hält der Zug und eine Mutter mit ihrem Baby im Kinderwagen betritt die Bahn. Das Kind blickt sich mit großen Augen um, während es im Wagen hineingeschoben wird. Als wäre es wie ein Licht im Dunkeln, drehen sich plötzlich alle Köpfe und blicken auf das niedliche Wesen herunter.
Seine blauen unschuldigen Augen saugen alles mit großem Interesse auf, sehen in die Augen der müden Männer und Frauen. Als würde ein längst versiegt geglaubter Freudequell in den Herzen der Menschen wieder entspringen, fangen sie an zu lächeln.
Warum? Wieso lächeln alle, wenn sie das kleine süße Kind sehen? Ist es ein solch willkommener Freudenbringer? Oder tun sie es aus Verstand? Haben sie die Verantwortung, dem Kind gegenüber eine heile Welt vorzugaukeln, die lachend und freudig dahinlebt? Wollen sie dem Kind die Wahrheit verleugnen? Ist nicht gerade das unverantwortlich? Sollte man dem Kind nicht lieber mit traurigem Blick verstehen zu geben, dass diese unsere Welt dringend Erfrischung und neue Energie braucht? Dass es sich zum Ziel setzen muss, diese unsere Welt zu neuem Leben zu verhelfen.
Es sieht mich an. Ich sehe zurück und betrachte seine reinen blauen Augen. Und ich fange an zu lächeln. Und es lacht zurück, gluckst ein-, zweimal. Dann steigen Mutter und Kind wieder aus.
Der graue Schleier legt sich erneut über die Menschen. Ihre emotionalen Regungen kriechen in ihr Innerstes zurück wie Schnecken in ihr Haus.
Die Bahn fährt weiter. Alle stieren vor sich hin.

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