Ein paar kurze Worte...
...über die Welt und auch ein bisschen über mich
Mittwoch, 17. Juli 2013
"Bis dann!"
Kälte. Distanz. Misstrauen. Respektlosigkeit. Enttäuschung.
All das spüre ich, als ich nur noch den Rücken sehe und der Blick jener Person, mit der ich mich die letzten Minuten über intensiv ausgetauscht hatte, endgültig von mir abgewandt ist. Nein, das Gespräch war nett. Es war sogar erwärmend und freundschaftlich. Keine Spur von alledem, was ich jetzt empfinde und meine Seele irritiert in Gedanken zurücklässt, während mein Körper in Automatismen fortfährt, sich auf den Sattel setzt, in die Pedale tritt, den Weg vor sich fixiert.

Ein Handschlag, welcher Art auch immer, symbolisiert Nähe, Respekt, Verbundenheit. Sich zur Begrüßung die Hand zu geben bedeutet, ab nun in einer direkten Verbindung zu seinem Gegenüber zu stehen. Diese wird erst aufgehoben, wenn ein erneutes Händereichen zur Verabschiedung stattfindet: Die Verbindung wird wieder getrennt. Unterbleibt der erste Handschlag, jener des Begrüßens, mag das befremdlich wirken, doch kann die fehlende symbolische Herstellung der Verbindung zwischen den Personen nachgeholt werden, in dem sie am Ende durch einen Verabschiedungshandschlag gekappt wird. Gekappt werden kann eine Verbindung nur, wenn sie vorher hergestellt worden ist. Demnach muss bei einem Verabschiedungshandschlag eine solche Verbindung bestanden haben - oder im Laufe des Gesprächs enstanden sein.
Umgekehrt sieht es anders aus. Das Verweigern des Handschlags oder auch schlichtweg das Verabschieden, ohne sich die Hand zu geben, zeigt: Es hat nie eine Verbindung gegeben oder: Falls es mal eine gegeben hat, gab es sie schon vor der den Handschlag vermissenden Verabschiedung nicht mehr.

Das Händereichen zeigt dem Gegenüber: Du respektierst ihn, du schätzt ihn wert, du achtest ihn. Egal, wann du ihn wiedersehen wirst, auch wenn es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr bald sein wird, vielleicht sogar schon in einer Stunde: Reiche ihm bei der Verabschiedung die Hand! Zumindest sofern du das Bedürfnis danach hast, ihm ein Gefühl der Achtung und des Respekts zu vermitteln. Bei Freunden sollte dies der Fall sein.

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Mittwoch, 2. November 2011
Was prägt unsere Persönlichkeit?
Dieses Schreiben lag gestern leicht abgewandelt und zusammen mit einem 8 Fragen enthaltenden Fragebogen in meinem Briefkasten. Cool, dachte ich, da will jemand meine Meinung hören. Persönlichkeit, Gene, Verhaltensmuster - geil, darüber habe ich mir schon oft Gedanken gemacht, da mach ich mal mit.
Doch dann las ich das Kleingedruckte und statt den ausgefüllten Fragebogen steckte ich diesen Brief ins Antwortkuvert.

Das passiert, wenn man mich mit Köder-Umfragen lockt und anschließend enttäuscht! Ha! Das haben sie (oder der Mülleimer unterm Schreibtisch der zuständigen Sachbearbeiterin) jetzt davon!

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Montag, 25. Juli 2011
Angebot und Nachfrage
Eine interessante Erkenntnis ereilte mich heute Morgen. Beim allzweiwöchentlichen Jour-fixe bei uns im Institut sprach meine Chefin über wissenschaftliche Bestrebungen und Herangehensweisen beim Thema Innovation und Entwicklung hinsichtlich Angebot und Nachfrage.
Zuerst verstand ich nicht ganz, was so falsch daran sein sollte, sich an der Nachfrage zu orientieren und in Anlehnung an die Wünsche der Nachfrager Neues zu entwickeln. Aber so läuft es aus Sicht meiner Chefin nicht. Zumindest sollte es das nicht. Das passende Zitat wurde auch prompt, damit es auch jeder versteht, (z. B. ich), von der Intelligenzbestie des Instituts in den Raum geworfen. Henry Ford sagte einst (sinngemäß): "Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: Schnellere Pferde."

Ergo: Willst du beim Innovativ-Sein etwas wirklich Neues erfinden, kümmere dich nicht darum, was die Menschen wollen.

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Donnerstag, 10. Juni 2010
Bafana, Bafana
Morgen beginnt die Fußballweltmeisterschaft 2010 mit dem Spiel Südafrika gegen Mexiko. Ganz Deutschland freut sich drauf, kann es kaum noch erwarten.
Südafrika - untrennbar ist dieses Land nun mit diesem sportlichen Großereignis verbunden. Zumindest derzeit. Südafrika hier, Südafrika da. Die Medien sind voll mit Berichten über das bevorstehende Event und seit ein paar Wochen wissen bestimmt zehnmal so viele Bundesbürger wie davor, dass es auch noch andere Städte außer Kapstadt, Pretoria und Johannisburg im südlichsten Land Afrikas gibt.
Lange Zeit hatte die Fußballwelt Sorge darüber, ob dieses Land es rechtzeitig schaffen würde, die nötigen Vorbereitungen zur WM zu treffen. Anfangs wurde sogar überlegt, den Südafrikanern die WM wieder zu entziehen und noch einmal an Deutschland zu geben. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere.
Inzwischen ist klar geworden: Südafrika hat es geschafft. Die Stadien sind fertig saniert bzw. neu gebaut, alle Teams konnten sicher und nobel untergebracht werden, die Trainingsunterkünfte werden den höchsten Erwartungen gerecht und dem Besucherstrom scheint das öffentliche Leben auch gewachsen zu sein. Gott sei Dank! Dann kann die WM ja losgehen! Wer wird wohl gewinnen? Spanien? Italien? England? Oder gar die Deutschen?
Aber Moment mal. Erst spielt ja Südafrika das Eröffnungsspiel. Das ist immer ein besonderes Spiel. Gegen Mexiko. Durch all diesen in den Medien thematisierten ungeheuren Organisationsaufwand und die riesige Verantwortung, welche auf den Schultern des ersten eine WM-Endrunde ausrichtenden afrikanischen Staats liegt, habe ich bislang keinerlei Infos über das Fußballteam Südafrikas erhalten. Jetzt soll ich den Spielausgang tippen. Hm. Ich schätze mal, die Mexikaner sind besser, haben schließlich in der Vorbereitung die Italiener geschlagen. Und die wiederum sind ja immer noch Weltmeister.
Aber Südafrika? Ich habe absolut keinen Schimmer, was das Fußballteam des Gastgeberlandes so drauf hat. Komisch. Dabei spricht doch alle Welt von Südafrika. Auf deutschen Internetseiten gibt's sogar den Wetterbericht von dort als interaktive Wetterkarte.
Ich will mehr über "Bafana, Bafana" erfahren. Onkel Google spuckt mir was aus:

Oha. Na wenn da mal einer sagt: "Pff... stinknormales Fußballteam!"
Ich lese ein bisschen und bin jetzt etwas schlauer. Was ich las, klang äußerst sympathisch und genoss Mexiko vorher einige meiner Sympahien, so muss es leider damit klar kommen, dass ich mich nun für einen Sieg der Gastgeber freuen würde. Ich freue mich jetzt umso mehr auf das Auftaktspiel. Mexiko wird trotzdem mit 3:1 gewinnen. Sollte man bei Ballkontakten des einzigen weißen Spielers in Reihen der Südafrikaner laute Buh-Rufe von den Rängen hören, so ist das weder auf rassistische Hintergründe noch auf etwaige schlechte Spielweise seinerseits oder die des Teams zurückzuführen. Hört man nämlich genauer hin, so rufen die Fans nicht "Buh!", sondern "Boooooth!". Matthew Booth ist seit Jahren der einzige Weiße im Nationalteam eines Landes, in dem Fußball Sport der Schwarzen ist. Und das macht ihn zum Liebling eines ganzen Landes.
Ich kann's kaum noch erwarten, bis ich vor der von meinem Beamer angestrahlten Wand in meiner Bude endlich den Anstoß zur WM 2010 miterleben darf.

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Donnerstag, 25. Februar 2010
Eindrücke aus Kenia (3) - Sprache
In Kenia gibt es zig Sprachen. In der Regel kann ein Kenianer drei Sprachen sprechen. Zum einen die Landessprache Kisuaheli und zum anderen oft noch einen Dialekt ("mother's tongue") ihres Volksstammes (tribe). Hören tut man aber meist Englisch, auch wenn man das als ungeübter Hörer erst nach einigen Sätzen überhaupt realisiert. Denn die Aussprache der Kenianer ist etwas gewöhnungsbedürftig.
So fiel mir als erstes auf, dass sie das "R" oftmals rollen, z. B. am Wortanfang: "This is right". Ein Engländer macht da bei "right" diesen undefinierbaren R-Laut am Anfang, ein Kenianer spricht das wirklich mit einem R aus.
Das Wort "agriculture" spricht ein Engländer so aus: klick. Ein Kenianer spricht es [agrikalscha] aus, mit offenem "A" am Anfang (statt "Ä"), mit gerolltem "R", ohne "T" und der zweite Wortteil wird so schnell gesprochen, dass selbst das "L" kaum zu hören ist. [Agrikascha] könnte man es auch aufschreiben. "Friend" wird zu [frend], "Because" zu [Bikoos], "question" zu [kuesschon], "correct" zu [correekt].
In anderen Fällen wird das "R" dann aber wieder verschluckt und zwar komplett. "Market" wird zu [makket], "car" zu [ka], "you are" zu [ju a], "future" zu [fjutscha], "water" zu [wota], "sure" zu [schua].
In ganz merkwürdigen Fällen wird manch ein "R" sogar zum "L". Einer unserer kenianischen Studenten sprach so. Da musste man sich erstmal reinhören, um ihn verstehen zu können. "Bright" wurde zu [blait], "tribe" zu [tlaib], "brother" zu [blotha], "realize" zu [lialais]. Okay, es ist meist nicht wirklich ein "L", aber halt auch kein "R". Irgendwas dazwischen.
Andere Leute fügten wahrscheinlich in Anlehnung an ihre eigene Sprache einfach mal in manche Wörter noch ein "N" ein: "good" wurde zu [guund], "could" zu [kuund] (ebenso mit "should" oder "would"), "wood" zu [wuund].
Manch einer verschluckt das "H" am Anfang einiger Wörter: "House" wird zu [aus], "horrible" zu [orribel], "heat" zu [iit], "home" zu [oom].
Im Englischen gibt es ja normalerweise so Wörter, in denen Laute vorkommen wie "ou", "äi" oder "ä". Das gibt's in Kenia nicht so wirklich. "Home" wird wie gesagt nicht [houm], sondern [oom] ausgesprochen. "Make" wird nicht [mäik], sondern [meek] ausgesprochen, "name" nicht [näim], sondern [neem], "can" nicht [kän], sondern [kan], "don't" nicht [dount], sondern [doont], "antilope" nicht [äntiloup], sondern [antiloop], "and" nicht [änd], sondern [and] und der unbestimmte Artikel "a" wird auch einfach nur als offenes "A" gesprochen.
Manchmal wird aus einem "Th" am Anfang eines Wortes auch einfach nur ein "T": "Three years ago". Im Englischen wird es mit englischem "th", mit diesem komischen "R"-Laut bei "three" und "years" gesprochen, das "a" bei "ago" ist weder a noch e noch i und das "o" wird "ou" gesprochen. Kenianisch: [Tri jias agoo], "T", gerolltes "r" im ersten Wort, weggelassenes "r" im zweiten Wort, stattdessen einfach ein offenes "a", gleiches offenes "a" auch im letzten Wort und langes gleich bleibendes "o" am Ende.
Okay, sieht jetzt wahrscheinlich alles etwas konfus aus, aber hört sich beim ersten Hören auch einfach so an. Mit der Zeit kommt man aber rein und am Ende konnte ich (mit einiger Konzentration) auch schon fast so sprechen. Bezüglich der englischen Aussprache waren wir Deutsche den Kenianern quasi "überlegen". Allerdings konnten die meisten Kenianer im Gegensatz zu uns Englisch wirklich perfekt, zumindest die etwas Gebildeteren und die in den Städten. Auf dem Land war das wieder etwas anders. Da spricht man eher Kisuaheli.

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Samstag, 28. November 2009
Viele Köche verderben den Brei...
...doch in Deutschland ist schon einer zu viel!
Roland Koch hat die Vertragsverlängerung des für seine politische Unabhängigkeit bekannten Chefredakteurs des ZDF verhindert. Damit hat er es geschafft, dass die Politik Einfluss auf die Medien nehmen konnte und in Zukunft auch weiter tun kann. Das ist gegen das demokratische Grundverständnis. In einem demokratischen Staat darf nicht die Politik die Medien kontrollieren, sondern die Medien sollten die Politik kontrollieren und das Volk über die Wahrheit informieren. Und zwar unabhängig. Genau dafür stand der Name Nikolaus Brender. Roland Koch hat ihn mit Hilfe seiner CDU-Kollegen öffentlich abserviert.

Dies bestätigt nur meine Meinung von diesem schmierigen Unsympathen. Er verkehrt mit rechtsradikalen Aktivisten und steht genau für das Gegenteil von dem, was ich für richtig in der Politik halte.
Es ist allerhöchste Zeit, dass jemand Roland Koch gehörig in seinen fetten Arsch tritt! Den Tag, an dem das passiert, werde ich feiern.

Quellen:
zur Person Brenders
Videobeiträge und Texte zum Thema Vertragsverlängerung Brenders
Focus-Artikel zum Thema Brender
Roland Koch und seine Nazi-Freunde
Koch lobt Teilnehmer einer inszenierten Pro-Atom-Demo

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Freitag, 5. Juni 2009
Klimawandel, Umweltzerstörung, globale Katastrophen - Zusammenhänge (1)
Die Satellitenfotoreihe zeigt ein Gebiet des Brasilianischen Regenwaldes im Bundesstaat Rondônia und dessen Zerstörung innerhalb weniger Jahre. (Zum Vergrößern draufklicken!)

Jahr 2000
Jahr 2002
Jahr 2004
Jahr 2006
Jahr 2008

Die Biomasse des Regenwaldes ist enorm hoch, die Fruchtbarkeit der Böden dagegen extrem niedrig. Der Wald lebt in Symbiose mit verschiedenen Pilzen und hat sich so an den mageren Untergrund angepasst, dass absterbende Pflanzenreste wie Blätter oder Äste gar nicht erst verrotten. Ihre Nährstoffe werden direkt wieder aufgenommen. So kann der Regenwald trotz unfruchtbarem Boden so gewaltig wachsen. Er ist für die Sauerstoffproduktion unserer Erde enorm wichtig und er beherbergt Unmengen noch gar nicht entdeckter Tier- und Pflanzenarten, ist Lebensraum für die seltensten Lebewesen der Erde.
Wird der Regenwald abgeholzt, z.B. durch Brandrodung (die übrigens einen nicht zu vernachlässigenden CO2-Ausstoß in die Erdatmosphäre verursacht!), so verschwinden bis auf einen Bruchteil alle nährhaften Stoffe komplett. Übrig bleibt der magere Boden, der durch den tropischen Starkniederschlag dann auch noch ausgeschwemmt und erodiert wird, auf dem Ackerbau höchstens ein paar wenige Jahre möglich ist, da er danach kaum noch Ertrag bringt. Sojabohnenplantagen verändern die Albedo des Bodens und somit das lokale und globale Klima. Oftmals direkt nach der Rodung muss der Boden als Weideland für riesige Viehherden herhalten. Rinder, deren Fleisch so zäh ist, dass es nur als Gehacktes auf McDonald's Cheeseburgern genießbar ist, trampeln zu Millionen umher. Die Artenvielfalt wird hemmungslos ausgelöscht, ursprünglich dort lebende Tiere werden nicht nur in andere Gebiete verdrängt, wo sie dann zu großen Konkurrenzkämpfen ausgesetzt sind, viele Arten sterben einfach unbemerkt aus. Möglicherweise hat das auch zur Folge, dass dem Menschen potentielle natürliche Heilstoffe flöten gehen.
Jährlich wird weltweit eine Waldfläche gerodet, die etwa einem Drittel der BRD entspricht. Wenn das so weitergeht, hat die Menschheit sehr bald ein ziemlich großes Problem - und das ist nur EINES von den vielen, welche den Klimawandel im Eiltempo vorantreiben.

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Mittwoch, 26. November 2008
Unterstes Niveau (Part 2) - 'Ein normaler Fahrgast'
geschrieben: gerade eben
Dieser Text ist eine außerplanmäßige Veröffentlichung, wenn man das so sehen will. Aber da mir das Beschriebene gestern nunmal so passiert ist, bringt's nix, das Online-Stellen hinauszuzögern.
Wie ich abschließend feststellte, lässt sich der Text auch ganz gut in die Reihe "Unterstes Niveau" einreihen, auch wenn er einen etwas anderen Charakter besitzt als der bereits veröffentlichte und die (mindestens) zwei noch folgenden Texte. Aber gut... letztendlich steht jeder Text eh für sich selbst.
Achja, ich entschuldige mich im Voraus für die wahrscheinlich überflüssige Länge dieses Geschreibsels. Das passiert leider immer, wenn ich einfach so drauf los schreibe...

"Sprechen Sie deutsch?"
Ich befand mich in der U-Bahn, hatte zweieinhalb Stunden Training hinter mir und war einigermaßen müde. So lässt sich meine Sitzposition auf dem Dreier-Längssitz im recht leeren Wagon mit halb sitzend, halb liegend beschreiben. Die Beine hatte ich hochgelegt, jedoch ohne mit den Schuhen das Polster zu berühren. Mein Rad hatte ich vor mir an die Stange, welche sich bei diesen U-Bahn-Wagons am rechten Sitzende und somit nun in meinem Rücken befindet, angelehnt und festgeklemmt, so dass ich es während der Fahrt nicht festzuhalten brauchte. Der Zug stand ein paar Minuten im Bahnhof, denn es war der End- bzw. Anfangsbahnhof.
So machte ich das immer und es ging gut so. Ich nahm niemandem Platz weg und behinderte auch niemanden.
Das sah der alte Mann wohl anders.
Ich nahm den rechten meiner Ohrstöpsel, aus denen wohltuender Swing klang, aus dem Ohr und bejahte seine erste Frage mit einiger Verwunderung. Brauchte er Hilfe für seinen Fahrtweg, weil er etwa das Liniennetz nicht gut lesen konnte?
Nein, stattdessen plusterte er sich auf und fragte mich, ob ich das in Ordnung fände, was ich hier machte. Da fiel mir doch glatt der Linke Stöpsel auch noch aus dem Ohr.
Ich fragte, was ich denn Schlimmes täte? Daraufhin wies er auf mein Fahrrad. Und dann auf meine Beine. Mit hochrotem Kopf hielt er mir einen Vortrag, dass das Fahrrad gefälligst an die Rückwand des Führerhäuschens abzustellen sei und ich mich wie ein normaler Mensch hinzusetzen habe. Ich sei schließlich ein normaler Fahrgast und kenne ja wohl die Beförderungsbedingungen.
Ich wollte wissen, ob ihn das wirklich störe, dass ich mein Fahrrad hier und nicht einskommafünf Meter weiter zu stehen hatte, denn es konnte dort, wo es stand, wirklich niemanden behindern. Er reagierte mit einem erneuten Schwall voller Moralpredigten. Es störe ihn sehr wohl, schon beim Betreten des Wagons habe ihn das Rad gestört. Jeder Fahrgast würde sich behindert fühlen, weil zu wenig Platz vorhanden sei. Er war nahezu außer sich und seine Augen, mit denen er mich glasig anstierte, quollen aus seinem Gesicht hervor.
Die anderen Fahrgäste drehten sich um, um zu sehen, was da vor sich ging. Zwei Frauen, die mir gegenüber saßen, konnten nicht umhin, das Schauspiel mitzuverfolgen und schon nach wenigen Momenten merkte ich klar, dass sie den alten Opa genauso lächerlich fanden wie ich.
Natürlich bewegte ich weder mich noch mein Fahrrad auch nur einen Zentimeter. Was denkt der alte Sack, wer er ist? Nur weil er ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat, im Krieg bei Nazi-Eltern aufgewachsen ist und seitdem allergisch auf jegliche Disziplinlosigkeit reagiert, nur weil er zu Hause niemanden mehr hat, mit dem er über seine Sorgen und Ängste reden kann, nur weil nicht damit klar kommt, älter zu werden, ist das noch lange kein Grund, beliebig irgendwelche Passanten wegen Lapalien anzumeckern und aus Mücken solche Elefanten, nein, Dinosaurier zu machen. Es war ja kein reines Genörgel. Er meinte das wirklich ernst!
Und das war ja noch nicht alles. Als er merkte, dass sein Rumgeschnauze bei mir nichts bewirkte außer gereizt-patzige und später dann auch etwas aggressivere Antworten und abwertendes Lachen ob dieser Lächerlichkeit meinerseits hervorzurufen (da er offensichtlich nicht ganz richtig im Kopf war), kam zufällig der Zugfahrer daher, der gerade vom Ende des Zuges zum Anfang lief, um dort dann wieder loszufahren.
Voll in Rage hämmerte der Opa wie ein Bekloppter von innen gegen die Scheibe, so dass der Zugfahrer seine Aufmerksamkeit erlangte und in den Wagon kam.
"Herr Schaffner, finden Sie das hier in Ordnung? Würden Sie bitte was machen? Das kann doch hier wirklich nicht sein, dass..."
Der Zugfahrer unterbrach ihn, sichtlich genervt: "Was wollen Sie denn? Was soll ich denn machen? Ich bin der Fahrer und nicht der Sicherheitsdienst! Können wir jetzt losfahren?"
Danke, Herr Schaffner! Noch besser wär's gewesen, wenn er den Stressmacher-Opa gleich rausgeschmissen hätte wegen öffentlicher Unruhestiftung. Aber er ist ja nicht der Sicherheitsdienst. Zwar erklärte er, dass er die Polizei oder eben diesen Sicherheitsdienst rufen könne, machte aber deutlich, dass diese Aktion absolut peinlich wäre. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn der alte Typ darauf bestanden hätte, doch anscheinend war es ihm SO wichtig nun doch nicht.
Stattdessen beschränkte er sich weiterhin darauf (nachdem der Fahrer entnervt den Wagon wieder verlassen hatte), mir Unfähigkeit im gepflegten Umgang mit anderen Menschen vorzuwerfen, mich als unsozial darzustellen und schließlich auch noch meine Intelligenz in Frage zu stellen.
Ich bewundere mich selbst, dass ich da so ruhig bleiben konnte und eigentlich fast ausschließlich nur noch lachte. Es war wirklich lustig, wenn man das objektiv betrachtete. So ein alter Spinner echauffiert sich so sehr, dass man Angst um sein Herz haben muss, wegen eines Fahrgastes, der nicht stursteif aufrecht auf dem Platz sitzt und sein Rad nicht 100%ig ordnungsgemäß im nahezu leeren Wagon hingestellt hat (wobei ich das ehrlich gesagt bezweifle, dass das orndungswidrig war, schließlich sind die Sitze hier absichtlich längs gerichtet, damit man hier größere Dinge wie Kinderwagen, Koffer oder eben Fahrräder abstellen kann). Mein Grinsen und meine Uneinsichtigkeit brachten ihn dann schließlich zur Aufgabe. Nach erneuten Vorwürfen eines moralischen Versagens meinerseits und einem genervten Eingreifen der beiden Damen, er solle sich doch einfach hinsetzen und Ruhe geben, verabschiedete er sich und setzte sich auf einen Platz auf der anderen Seite des Wagons.
Ich wechselte ein paar Worte mit den beiden Frauen, die den Auftritt des Spinners ebenso lächerlich fanden wie der "Herr Schaffner" und ich.
Naja... die Fahrt verlief dann komplett problemlos. Niemand beschwerte sich wegen meinem Fahrrad, denn schließlich konnte jeder bequem daran vorbeigehen.
Doch die Kuriositäten des Heimwegs vom Training nahmen erst dann ein Ende, nachdem einer der Obdachlosen, die allabendlich am Bahnhof Leopoldplatz rumlungern, mich beobachtete, wie ich mein Rad die Treppe hochtrug, und mich dann beschuldigte, sein Rad geklaut zu haben.
"Ey, das... das sieht doch aus wie meins! Das hast du doch... Wo hast du das gekauft??"
Ich hatte es vor einigen Jahren beim größten Fahrradladen Berlins namens "Stadler" gekauft. Das blaffte ich ihm dann ins Gesicht und fuhr weg. Der blöde Sack gaffte nur hinterher und hatte keine Ahnung, was "Stadler" war.
In mir breitete sich nach dieser Fahrt eine echt seltsame Stimmung aus.
Es gibt Jugendliche, die verhalten sich wahrlich unmöglich in der Öffentlichkeit, rotzen in der U-Bahn auf den Boden, sprühen Graffiti auf die Sitze, prügeln sich im Wagon, grölen rum, rauchen trotz des absoluten Rauchverbots in den Zügen, lassen Müll liegen, versauen den Wagon mit Essensresten und lassen Bierflaschen auslaufen. SOLCHE Leute kann der Typ gerne ansprechen und ihnen eine Moralpredigt halten, doch wahrscheinlich hat er dafür nicht den Mumm.
Aber MICH auf solche Weise anzumachen, ist echt schon eine Frechheit. Mich, der schon beim Überqueren der absolut leeren Straße bei Rot ein schlechtes Gewissen kriegt; der immer und überall seinen Müll mitnimmt und ihn in den nächsten Mülleimer wirft statt ihn einfach fallen zu lassen wie so viele andere Leute; der immer rücksichtsvoll, zuvorkommend, ehrlich und aufrichtig handelt; der niemals wirklich lügt oder anderen Schaden zufügt; der nicht einmal Geld mitgehen lässt, wenn er die Möglichkeit dazu hätte; der seine Schulden bei anderen begleicht, obwohl diejenigen sie offensichtlich schon längst vergessen hatten; der alten Leuten seinen Sitzplatz anbietet, wenn alles voll ist; der am Tag zuvor einer Frau hinterhergelaufen ist, um ihr ihre in der S-Bahn vergessene Tasche wiederzubringen; der extra vom Rad absteigt, um einer alten Frau ihren Rollwagen den Bordstein hochwuchten; der bremst, um einer anderen Radfahrerin einen Apfel aufzuheben, der von ihrem Korb gefallen war und nun über die Straße kullerte; der immer und überall ruhig bleibt und nie Gewalt anwendet; der viel stärker als die meisten Menschen ein Gefühl und eine Vorstellung für Gerechtigkeit besitzt; der es nicht übers Herz bringt, eine Fliege mit einer Fliegenklatsche zu zermatschen und deshalb lieber die Mühe auf sich nimmt, sie lebendig zu fangen und freizulassen; der verdammt nochmal sich in seinem verhältnismäßig kurzen Leben wahrscheinlich bereits viel mehr Gedanken über die Gesellschaft und die Funktion des Zusammenlebens sowie die menschliche Seele gemacht hat als dieser lachhafte Schwachkopf von altem Sack!!!
Und mir dann auch noch (aus reiner Langeweile) Diebstahl vorzuwerfen... Ick gloobe, es hackt! Mein Fahrrad bedeutet mir viel, wahrscheinlich so wie ein Auto seinem Besitzer etwas bedeutet. Ich mag es und ich habe mit ihm schon so einiges erlebt.
Es war eine Mischung aus Wut, Unglaube und Freude ob dieser Ironie. Es fühlte sich jedenfalls ziemlich komisch an.
Ich will hier nicht darstellen, wie toll ich doch bin. Ich will nur meinen gerade beschriebenen Gefühlen Ausdruck verleihen. Leider ist grade niemand da, dem ich's erzählen kann, also schreib ich's auf - vielleicht findet es ja jemand lesenswert.

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Montag, 10. November 2008
Die innere Schönheit
geschrieben: gerade eben
"Der Typ da vorhin. Was denkt ihr, warum kriegt der kein Mädchen ab? Ich meine, er kriegt doch keine ab oder?"
Diese Frage stellt der vielleicht 16jährige Junge seinen zwei weiblichen Begleiterinnen. Sie sind hübsch gekleidet und geschminkt, wahrscheinlich jeder Mann im Wagon verschwendet in den fünf Minuten Fahrzeit mehr als einen Blick in ihre Richtung. Ich allerdings lese ein Buch mit dem Titel "Last Lecture" und bin viel zu fasziniert davon, als dass ich von den Seiten aufsehen will. Doch diese recht laut gestellte Frage sorgt für meine Aufmerksamkeit. Mein Blick bleibt auf den Zeilen von Seite 153 stehen, doch mein Ohr wandert hinüber zu den drei Schülern.
"Naja, ich weiß auch nicht. Eigentlich sieht er ja ganz gut aus. Aber er ist mir irgendwie, naja, irgendwie zu ruhig."
"Ja, er ist langweilig, sagt voll selten was. Ich meine, er ist ja nett, aber irgendwie halt langweilig."
"Ich mag ihn eigentlich auch, aber... naja obwohl, nee, eigentlich so dolle sieht er doch nicht aus." Sie fangen an zu lachen. "Naja, nicht schlecht, aber gut halt auch nicht."
Der Junge bleibt ernst. Es besteht kein Zweifel, dass er die Probleme desjenigen, über den sie sprechen, nicht hat.
Das eine Mädchen fragt nach: "Aber er hatte doch schonmal eine Freundin oder nicht?"
"Ja, er hatte mal eine irgendwann... Ne ganz Scharfe."
"Wie jetzt? Das war jetzt aber ironisch oder?"
"Ja." Jetzt grinst auch der Junge. "So toll war die nicht."
"...wahrscheinlich für vier Wochen oder so", lästert die andere.
Eine Station später steigen die drei aus und ich widme mich wieder voll und ganz meinem Buch. Doch in Gedanken schreibe ich mir einen Notizzettel und vermerke das soeben mitverfolgte Gespräch, um es hier annähernd wortgetreu zu veröffentlichen.
Warum?
Weil es eine Menge aussagt.

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Dienstag, 4. November 2008
Becoming immortal
geschrieben: gerade eben
What is it, to have lived a life? To have lived a full life?
Maybe it is about coming around a lot. About knowing lots of different people. About doing things right and doing things wrong but to learn from your faults. About becoming happy by making others happy. Maybe it is about getting richer and buy yourself a whole paradise. Everyone would say this is impossible but everyone would try to do it. But no, this it is not.
As long as people believe your story it does not matter if you really did. But to have lived a really full life is something about to have tried the impossible and finally caught the uncatchable fish. This makes you immortal.

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